Am 23.06.2015 referierte Gesa Lischka, geschäftsführende Inhaberin der Kochstrasse, Agentur für Marketing, sehr anschaulich und praxisnah zum Thema Neuromarketing. Aufgrund der vielen Nachfragen ist das Wesentliche im Folgenden zusammengefasst.
Gesa Lischke postulierte zunächst, dass 95 % aller Entscheidungen unbewusst getroffen werden und selbst bei bewussten Entscheidungen kommen wir nicht ohne Vorbereitung durch das Unterbewusstsein aus.
Soviel ist klar: Das Unterbewusstsein arbeitet schnell und effizient. Es funktioniert wie ein Autopilot und führt zu schnellen Entscheidungen wohingegen das Bewusstsein nur wenige Informationen gleichzeitig verarbeiten kann und dafür sehr viel mehr Energie und Zeit benötigt. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass wenn möglich, der Autopilot aktiv wird. Das entlastet uns.
Um das Konsumentenverhalten vor diesem Hintergrund zu erklären und zu beeinflussen müssen wir die Vorgänge im Unterbewusstsein verstehen. Im Verlaufe des Vortrags wird schnell klar: Das Unterbewusstsein ist kein simpler Reiz-Reaktions-Mechanismus sondern ein komplexes Bewertungs- und Steuerungssystem zur Erfüllung unserer impliziten (unbewussten) Ziele. Diese haben sich durch das individuelle Emotionssystem wie auch durch die kulturellen und individuellen Lernerfahrungen herausgebildet. Sie prägen (Konsum-) Entscheidungen und Verhalten, insbesondere die Wahl des Produktes oder der Marke. Explizite (bewusste) Ziele hingegen beeinflussen eher die Wahl der Produktgattung.
Welche impliziten Ziele gibt es überhaupt? Hierzu verweist Gesa Lischka auf die Limbic® Map der Gruppe Nymphenburg, ein Modell das den Emotionsraum des Menschen mit allen menschlichen Motiven, Werten und und Zielen abbildet.
Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist jedoch: Welche unbewussten Ziele der Konsumenten sollen mit der Marke angesprochen und erfüllt werden? Ist das implizite Wertesystem der Konsumenten bekannt, können Produkte und Marken mit entsprechenden Motiv- und Wertstrukturen entwickelt werden.
Viele Untersuchungen bestätigen, dass alle Menschen über ein implizites Zielsystem mit den Hauptkomponenten Dominanz, Stimulanz und Balance verfügen – allerdings jeweils in individuell unterschiedlicher Ausprägung. Daraus hat die Gruppe Nymphenburg eine repräsentative neuropsychologische Zielgruppensegmentierung abgeleitet, die heute in viele Konsumtypologien mit einfließt und eine interessante Planungsgrundlage darstellt. Doch dazu mehr im Rahmen der Marktsegmentierung.
Eine Marke ist ein in der Psyche verankertes Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung. Die einzelnen Facetten dieses Bildes sind im Gehirn des Konsumenten als Erfahrungsinhalte und Emotionen gespeichert. „Bahnbrechende Markensignale“ aktvieren und verbinden diese speziellen Gedächtnisinhalte, wobei der vorangegangene Reiz stets die Interpretation und die Verarbeitung der Folgeinformation bestimmt. So bildet sich eine Assoziationskette – ein Vorstellungsbild, das Entscheidungen und Handlungen auslösen kann. Der Vorgang wird als Priming bezeichnet. Außerdem gilt: Je öfter eine Assoziationskette aktiviert wird, desto eher werden neue Stimuli auf diese Bahn geleitet. Das Bewußtsein wird für diesen Prozess nicht benötigt und insofern zur Entlastung inaktiviert.
Eine (Kauf-) Entscheidung wird im Belohnungs- und Bestrafungssystem (Limbisches System) getroffen. Wenn aufgrund der Erfahrungen (Vorstellungsbild) ein implizites Ziel erreichbar scheint ist eine Belohnung zu erwarten. In dem Fall wird ein Handlungsimpuls ausgelöst. Entsprechend gilt: Wenn eine Bestrafung in Aussicht steht wird keine Handlung eingeleitet. All dies wird durch Ausschüttung von Neurotransmittern gesteuert.
Wir lernen daraus: In der Produktentwicklung und in der Kommunikation müssen bahnbrechende Stimuli oder Codes (Sprache, Bilder, Symbole, Sensorik) verwendet werden, die positive Assoziationen aktivieren und die Zielerfüllung in Aussicht stellen. Auf diese Weise können Gedanken, Bilder und das gewünschte Verhalten „geprimt“ werden. Rationale Argumente wären hier überflüssig.
Was sagt uns dies über das Unterbewusstsein? Entscheidungen werden nach Faustregeln (Heuristiken) getroffen die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Im Einzelfall kann dies natürlich auch zu Fehlentscheidungen führen. Sind die Regeln bekannt, kann die Entscheidung beeinflusst werden.
Ein Beispiel hierzu ist die „Processing Fluency“ was besagt: Alles was leicht zu verstehen und auf den ersten Blick schlüssig erscheint wird intuitiv als vertraut und wahr empfunden. Dadurch wird der Informationsverarbeitungsprozess – wie beim Priming dargelegt- unbewusst durchgeführt und somit beschleunigt. Es lohnt sich also die Kommunikation diesbezüglich zu optimieren.
Ein weiteres Beispiel ist das „Anchoring“. Zur Beurteilung der Preisgünstigkeit wird stets ein Preisvergleich durchgeführt. Durch Vorgabe des Referenzpreises und durch die Art und Weise der Preispräsentation kann die Wahrnehmung und das Urteil beeinflusst werden.
Zur Analyse der impliziten Ziele und Assoziationen bei den Konsumenten empfiehlt Gesa Lischke den Implicit Association Test (IAT). Eine schnelle Reaktionszeit wird hierbei als Hinweis auf eine starke Verbindung zu den impliziten Zielen interpretiert. Der Assoziationstest liefert damit wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung der passenden Codes.
Zur Überprüfung der Wirksamkeit wird die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) empfohlen. Sie liefert Bilder über physiologische Vorgänge im Gehirn. Daraus können Rückschlüsse auf den Ort der neuronalen Aktivitäten gezogen werden. Richtig interpretiert zeigt die fMRT also ob und wie stark die verwendeten Codes implizite Ziele aktivieren. Daraus lassen sich Prognosen für den Verkaufserfolg ableiten.
Wir müssen also umdenken im Marketing. Doch halt, vielleicht sollten auch wir einfach weniger denken? Nun ja, das ist ein weites Feld …..